01.07.2018

Magazin des neuen Kölner Archivs erhält „Hüllflächentemperierung“

Qualitätssicherung per „Videobeweis“
Modifizierte SySpro-Doppelwände sichern konstantes Raumklima

Das modernste kommunale Archiv entsteht seit Sommer 2017 in Köln. Der katastrophale Einsturz des früheren Archivs im März 2009 ist nie aus den Schlagzeilen verschwunden. Seit Ende 2017 läuft ein Strafprozess vor dem Kölner Landgericht; geklärt werden sollen die Verantwortlichkeiten und Zusammenhänge mit dem Bau der Nord-Süd-U-Bahn. Nun aber ist es Zeit für positive Schlagzeilen: Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, erhält der Neubau des Archivs – nach Baufertigstellung unsichtbare – technische Finessen. Stichwort: „Hüllflächentemperierung“.

Am Eifelwall, am südwestlichen Rand der Innenstadt, wächst seit Sommer 2017 ein Neubau für das historische Archiv der Stadt Köln und das Rheinische Bildarchiv. Die Eckdaten: 25.000 m2 Bruttogeschossfläche, 85.000 m3 Bruttorauminhalt. 58 Regalkilometer und 460 Planschränke für das kommunale Archiv, dazu weitere 2,2 Regalkilometer für das Rheinische Bildarchiv; ein Lesesaal mit 45 Plätzen, Arbeitsplätze für rund 150 Personen. Anfang März war Richtfest. Der erweiterte Rohbau dürfte im ersten Halbjahr 2018 vollendet werden. Die Gesamt-Fertigstellung ist für 2020 vorgesehen.

EG: Um das Schatzhaus herum gesellen sich im Mantelgebäude Lesesaal, Ausstellungsraum, Vortragsraum, Büros und Werkstätten sowie zwei begrünte Innenhöfe.

Längsschnitt. Das siebengeschossige Magazin, das „Schatzhaus“, nimmt die eigentlichen Archivräume auf. Hier werden im Hinblick auf die eingelagerten empfindlichen Güter besondere Anforderungen an ein bestimmtes, gleichmäßiges Raumklima gestellt. Das unterirdische Bauwerk in der linken Bildmitte ist ein „Eisspeicher“, Kernstück des innovativen Klimakonzepts.

Historische Archivmaterialien sind ein äußerst sensibles Gut. Alte Handschriften, Urkunden und Bücher, aus neuerer Zeit auch Fotografien, Negative und Filme, brauchen ein definiertes, gleichmäßiges Raumklima, um in künftige Zeiten hinübergerettet werden zu können. Aber auch Büros, Werkstätten und die der Öffentlichkeit zugänglichen Bereiche bedürfen spezifischer Raumlufttemperatur und Luftfeuchtigkeit. Über allem schwebt zudem ein Leitmotiv des Bauens im 21. Jahrhundert: Energieeffizienz.

Bauzustand Anfang Februar 2018
Ansicht vom Eifelwall. Die Bemalung des Bauzauns erfolgte als Projektarbeit in Zusammenarbeit mit Kölner Schulen

Die Planer der Gebäudetechnik, agn Niederberghaus & Partner GmbH, haben ein auf dieses Gebäude speziell zugeschnittenes Klimakonzept entwickelt. Es kombiniert innovative Elemente mit Bewährtem aus dem energieeffizienten Bauen. Das Gebäude erhält Anschluss an die städtische Fernwärmeversorgung.

Zentrale Funktionselemente der Gebäudeklimatisierung sind ein Eisspeicher im Untergrund des Innenhofes, der 400 m3 Wasser aufnimmt, eine Brunnenanlage, die Grundwasser mit einer Temperatur von etwa 13°C fördert sowie eine Wärmepumpe. In Kombination mit Eisspeicher, Wärmepumpe und Geothermie kann die Anlage kurzfristig auf Temperatur- und Feuchtigkeitsveränderungen reagieren und – je nach Bedarf – heizen oder kühlen. Ziel ist, das in den einzelnen Bereichen gewünschte Raumklima konstant zu halten. Insgesamt sind neun verschiedene Klimazonen im Gebäude definiert.

Der sensibelste Bereich ist das „Tresor-ähnliche“ Magazin. Hier werden auf sechs Geschossen die Archivgüter eingelagert. In den Werkstatträumen wird später die Restaurierung beschädigter Archivgüter fortgeführt. Für Papierdokumente sollen 16 bis 22° C Lufttemperatur mit einer Feuchte von 40 bis höchstens 55 % herrschen. Fotomaterial wird in einem großen Kühlraum bei -18° C aufbewahrt. Andere Räume werden auf 21° C temperiert.

Vor allem die Möglichkeit der Qualitätskontrolle vor dem Betonieren sprach dafür, die Außenwände des Magazins mit Syspro-Doppelwänden auszuführen. Im Vergleich zu Ortbetonwänden ermöglichen die Doppelwandelemente mit dem auf der Baustelle auszubetonierenden Kern zudem ein Minimum an Baufeuchte-Eintrag.

Stichwort: Hüllflächentemperierung: Die – fensterlosen – Hüllwände des Archivs enthalten Rohrschlangen; mit der darin zirkulierenden Flüssigkeit erfolgt die Klimasteuerung. Die Doppelwandelemente werden damit zu Klimawänden. Die 6 cm dicken Innenschalen ergeben eine bündige Wandfläche. Die 8 cm dicken Außenschalen haben Aussparungen, in denen ein Kanal für die senkrecht verlaufenden Anschlussrohre an das Klimasystem geführt wird. Bei der Produktion der Doppelwandelemente kam es darauf an, Durchgängigkeit und Dichtigkeit des eingebauten Rohrsystems beweisbar sicherzustellen.

Rohrverlegungsplan für die Hüllflächentemperierung der südlichen Fassade (Grafik: Uponor)

Der Rohbauunternehmer, die Hardfid GmbH, erteilte SySpro-Mitglied Abi-Beton den Auftrag zur systemkonformen Produktion der Klimawandelemente. Systempartner für die Rohrschlangen war Uponor. Um die Auflagen des Bauherren erfüllen zu können, war für viele Detaillösungen individuelle Entwicklungsarbeit zu leisten. So musste z.B. gewährleistet sein, dass abschnittsweise Druckprüfungen vorgenommen werden können. Auch für die Zugänglichkeit der Rohrsysteme nach dem Betonieren auf der Baustelle mussten konstruktive Feinheiten erdacht werden. Ferner hat Abi-Beton spezielle Blechkästen entwickelt, um die spätere Anbindung der Rohrsysteme an die Steigleitung zu ermöglichen. Produziert wurden die Wandelemente geschossweise nach Baufortschritt im Werk Bedburg. Die ersten Elemente wurden im August ausgeliefert, die letzten im Januar 2018. Insgesamt lieferte Abi-Beton 2.830 m2 Wandelemente. Die Klimawände haben eine Wanddicke von 30 cm. Die Druckprüfungen auf der Baustelle sind erfolgreich verlaufen.

Abi-Beton, erfahren mit Qualitätsmanagement-Systemen nach deutschen, aber auch nach den anspruchsvollen Regelwerken der Benelux-Länder und Großbritanniens sowie mit den spezifischen SySproAnforderungen, konnte die aus Köln geforderten Vorgaben mit langjährig geübter Praxis erfüllen. Jedes produzierte Wandelement wurde mit einem Kontrollblatt protokolliert. Zu den abzuprüfenden Punkten zählten beispielsweise die Krümmung der Rohrbögen und die Lage der Bewehrung.
Doch es wurde auch Neuland beschritten. Nach bisheriger Praxis führte die vom Bauherren gewünschte Qualitätsdokumentation zu einer unübersehbaren Foto-Flut. Der hierfür gefundene Ausweg wurde, analog zum Fußball, „Videobeweis“ getauft: Eine Videoaufnahme mit dem Smartphone, mit stets gleicher Bildführung, dokumentiert, von einem Ende des Schaltisches bis zum anderen, dass die Bewehrung wie vorgesehen eingebaut worden ist, die Rohre richtig und ohne Knick liegen und vieles andere mehr. Jeweils für jedes produzierte Wandelement.
Klima-Wandelement vor dem Betonieren. Das Detail, dem höchste Aufmerksamkeit gilt: Der freiliegende Anschluss der Rohrschlangen.

Projektbeteiligte (Auswahl)

Standort
Köln, DE
Bauherr
Stadt Köln
Architektur
Waechter + Waechter Architekten BDA
Autorin
Gisela Morgenweck-Marfels

Eingesetzte SySpro Bauelemente


Ausführung durch


Weitere News