Absorber für solare Wärme: Energieeffizientes Klimatisierungskonzept mithilfe der Thermowand
Wer Geothermie zum Beheizen (oder Kühlen) eines Gebäudes einsetzt, ist unter anderem von der Wirtschaftlichkeit dieser Art der Gebäudeklimatisierung überzeugt. Wird die Geothermienutzung zudem mit einer Photovoltaikanlage kombiniert, lässt sich sogar der Plushaustandard erzielen – mit einer kleinen Anlagenaufwandszahl. Allerdings sind diese Techniken durch höhere Investitionskosten gekennzeichnet, als dies zum Beispiel beim Einsatz eines Luft - Luft - Wärmepumpensystems der Fall ist.
Vor diesem Hintergrund hat das Unternehmen Ragano aus Nordhorn, Hersteller von Betonfertigteilen, ein neues System entwickelt. Ausgangspunkt ist die seit Langem im Hochbau etablierte Thermowand, eine vorgefertigte Betonwandkonstruktion mit im Kern integrierter Dämmplatte. Die zwei durch Gitterträger verbundenen Betonschalen inklusive Dämmung werden auf der Baustelle mit Ortbeton ausgegossen, sodass die Thermowand nach dem Erhärten des Betons wie ein monolithisches Bauteil funktioniert.
Die Firma Ragano hat das bewährte Produkt nun weiterentwickelt, indem im Werk unter der Betonoberfläche zusätzlich ein Rohrleitungsnetz für eine energetische Nutzung eingelegt wird. Nach der Fertigstellung des Gebäudes zirkuliert in den Kunststoffrohren ein Gemisch aus Wasser und Frostschutzmittel. Sind diese Thermowände mit eingebauten Rohrleitungen zum Beispiel ein Teil der Fassade, funktionieren sie als Absorber für solare Wärme. Werden die aktivierten Thermowände hingegen im Bereich der Frostschürze verbaut, lässt sich die Erdwärme nutzen. Grundsätzlich funktioniert das System der aktivierten Betonbauteile so: Eine Wärmepumpe entzieht dem Flüssigkeitskreislauf in den Kunststoffrohren kontinuierlich Wärmeenergie, um sie zur Gebäudeklimatisierung heranzuziehen. Dadurch sinkt die Temperatur der Absorberfläche unter die Temperatur der Umgebungsluft bzw. des Erdreiches, sodass sie wieder neue Energie aus der Umgebung aufnehmen kann. Bei einer Kombination dieses Heiz- und Kühlsystems mit einer Photovoltaikanlage ist sogar der Strombedarf zum Betrieb der Wärmepumpe weitgehend gedeckt, somit ist ein energetisch autarkes Gebäude mit diesem System realisierbar.
Ein wesentlicher Unterschied zu den üblichen Röhrenabsorbern bzw. Erdsonden liegt bei diesem energetischen System in dem durch die Masse bedingten erheblichen Wärmespeichervermögen des Massivabsorbers. Stahlbeton erreicht mit einer volumenbezogene Wärmekapazität von 2.400 kJ/m3K etwa 60 Prozent der Wärmekapazität von Wasser. Ein Kubikmeter Beton speichert bei einer Temperaturerhöhung um 1 Kelvin 2.400 Kilojoule oder rund 0,7 Kilowattstunden. Die günstigen Eigenschaften von Beton, Wärmeenergie zu speichern und dann wieder zeitverschoben abzugeben, kann beim Massivabsorber gezielt dazu genutzt werden, um die Leistungsfähigkeit des Heizsystems zu verbessern. Das führt zu einem gleichmäßigen Betrieb der Wärmepumpe und zu einer günstigeren Leistungszahl. Idealerweise sind die Kunststoffrohrleitungen zudem in ohnehin vorhandene Bauteile wie Fassaden, Kelleraußenwände, Balkonbrüstungen oder Umfriedungs- und Abfangmauern eingegossen, was das System kostengünstig und bautechnisch einfach macht.
Beim Massivabsorber-Heizsystem werden Rohrleitungen des Absorbers in einen Teil der gebäudeumschließenden Bauteile integriert. Das erfordert zwingend, dass das Absorbersystem die gleiche Lebenserwartung haben muss wie die konstruktiven Bauteile selbst. Daraus ergeben sich wichtige Konsequenzen für die Materialwahl und die Herstellung. Es können nur Rohrmaterialien verwendet werden, die unter Betriebsbedingungen eine Lebenserwartung von wenigstens 50 Jahren haben. Ein besonderes Augenmerk gilt dem Beton: Durch den Absorberbetrieb wird der Beton durch rasche Temperaturveränderungen, durch stärkere Feuchtebelastung und durch eine Vielzahl von Frost-Tauwechseln mehr beansprucht als bei einer üblichen Verwendung. Daher werden auch an die Betonherstellung weit höhere Anforderungen gestellt als üblich. Nach dem heutigen Wissensstand können daher Massivabsorber-Bauteile nur unter sorgfältig kontrollierten Bedingungen in einem Betonfertigteilwerk hergestellt werden.
Bei laufender Wärmepumpe kühlt sich die Außenschale um etwa 3 bis 5 Kelvin unter die Temperatur der Außenluft ab. Unter durchschnittlichen Bedingungen nimmt die Absorberfläche einen Energiestrom von etwa 90 Watt je Quadratmeter aus der Umwelt auf. Bei diffuser oder direkter Sonneneinstrahlung erhöht sich dieser Energiestrom um ein Vielfaches. Dieser Wert erreicht die Größenordnung von konventionellen Absorbern, die z. B. für 35° Dachneigung und Südausrichtung bei 25 °C Übertemperatur etwa 500 kWh/ m2a liegen können. Die Wirtschaftlichkeit des Systems wird entscheidend durch eine sorgfältige Abstimmung von Gebäudewärmeschutz, Größe, Lage und Ausbildung der Absorberflächen, Gebäudeheizung und der technischen Ausstattung bestimmt. Wichtige Einflüsse sind zudem die Ausrichtung (Nord-Süd), die Farbe der Betonoberfläche und das Strahlungsangebot/Klima. Im Winter ist der Sicherheitsabstand zum Taupunkt wichtig, um den Wärmeertrag zu maximieren. Der Wärmeträgerkreislauf wird mit konstanter, möglichst niedriger Eintrittstemperatur betrieben, so lange wie die Wandtemperatur über dem Taupunkt der Umgebungsluft liegt. Ergibt sich dabei eine Abkühlung der Wandoberfläche bis zum Taupunkt, ist die Temperatur des Wärmeträgers vorsichtig so zu erhöhen, dass die Wandtemperatur nicht unter den Taupunkt absinkt.
Im Rahmen eines AiF-Förderprojektes wurde ein System zum Beheizen von Gebäuden entwickelt. Dabei steht die multifunktionale Nutzung von Betonbauteilen im Fokus. Durch eine clevere Steuerung von solaren und geothermischen Kollektorerträgen ist eine wirtschaftliche Anwendung des Systems bis hin zum Plushaus möglich. Derzeit werden verschiedene Ausbaustufen dieses Energiekonzeptes im Hinblick auf die EnEV und KfW-Standards untersucht, in dessen Folge die Wirtschaftlichkeit detailliert bewertet werden kann. Jüngste Erkenntnisse zu Vorteilen bei der Umsetzung von Kellergeschossen nach EnEV 2016 sollen hierbei ebenso einfließen.